Griechenland: Nächste Ausfahrt Grexit?
Was bisher nur für eine Drohkulisse gehalten wurde, um Griechenland auf (deutsche) Linie zu bringen, scheint inzwischen für Berlin kein Tabu mehr: der Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Bereits Anfang Januar gab Angela Merkel zu Protokoll, dass sie sich einen Euro ohne Griechenland vorstellen könnte. Norbert Häring wiederum zeigt, dass die derzeitige Politik Berlins <a href="http://www.norberthaering.de/index.php/de/newsblog2/27-german/news/263-nord-euro#1-weiterlesen" target="_blank" rel="noopener noreferrer">auf einen »Nord-Euro« hinausläuft</a>.<!--more-->
Es herrscht eine paradoxe Situation: Ein Ausstieg aus dem Euro ist rechtlich nicht geregelt, also eigentlich nicht möglich. Griechenland könnte nur zur Drachme zurückkehren, indem es die Europäische Union (EU) verlässt. Das will in Griechenland kaum jemand – auch SYRIZA nicht. Die Mehrheit spricht sich für einen Verbleib in der Eurozone aus.
Bei der gegenwärtigen Debatte zeigt sich erneut die disziplinierende Politik gegenüber Griechenland, das Versuchsfeld und Exempel zugleich ist. Das gilt vor allem für die deutsche Politik. Denn wenn gegenüber Athen Kompromisse bei der Sparpolitik zugelassen würden, gäbe es kaum einen Grund, warum nicht auch Spanien, Portugal oder andere Länder vom eingeschlagenen Sparkurs abweichen können sollten. Nur der drohende Podemos-Wahlsieg Ende 2015 in Spanien lässt Madrid zu einem Verbündeten Deutschlands werden. Deutschland versperrt sich einer altenativen Krisenpolitik und droht also mit dem Joker - der Grexit. Was kann man sich darunter vorstellen?
Eine schnelle Einführung der Drachme ist kaum möglich. Dass die griechische Zentralbank die Euroscheine über Nacht mit einem Stempel versieht und so eine neue Währung einführt, ist ebenfalls wenig wahrscheinlich. Vermutlich wird es zunächst um eine Parallelwährung gehen. Wie aber könnte diese entstehen?
Voraussetzung wäre, dass die Hilfszahlungen der Troika ausgesetzt werden. Das hat Wolfgang Schäuble de facto angedroht. Ein Bankrott Griechenlands wäre die unmittelbare Folge. Wenn Athen sich nicht woanders Geld besorgen kann.
Die EZB erkennt griechische Staatsanleihen bereits nicht mehr als Sicherheiten für Kredite an, gewährt den griechische Banken aber Notkredite über das sogenannte ELA-Programm. Auch die EZB müsste also den Geldhahn zudrehen, was bisher nicht so aussieht. Auch die bisherige SYRIZA-Politik scheint von der Einschätzung geleitet zu sein, dass die EZB Griechenland in der Eurozone halten will. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, warum der Ökonom und SYRIZA-Berater, Jannis Milios, gegenüber dem Handelsblatt betont, dass die EZB kein Interesse an einem Austritt aus der Eurozone haben kann und deshalb auf eine politische Lösung drängt: »Wenn ein Land die Währungsunion verlassen muss, zerfällt die Währungsunion, egal wie klein das Land ist. Die Reaktion der Finanzmärkte wäre nicht beherrschbar. Das wäre wie ein neues Lehman Brothers im Quadrat.« Der US-Ökonom Barry Eichengreen warnte bereits 2010 in einem FAZ-Interview: »Die Griechen sind eure Lehman Brothers.«
Eine drohende Bankenpleite hätte einen Bankrun zur Folge. Bereits jetzt holen viele ihr Geld von der Bank und halten Ersparnisse bar oder auf Auslandkonten. Große Vermögen sind schon länger auserhalb Griechenlands geparkt.
Auch der Staat könnte in dieser Situation nichts mehr bezahlen – weder Zinsen noch Gehälter für Staatsbediensteten. Allerdings kann der Staat, weil er kein beliebiges Unternehmen ist, sondern Gewalt– und Steuermonopol zugleich, Zahlungsversprechen (Schuldverschreibungen) ausgeben. Sie könnten die Geldfunktionen übernehmen und sich zu einer Parallelwährung entwickeln.
Die »neue« Währung hätte gegenüber anderen Währungen wieder einen Außenwert und würde vor allem gegenüber dem Euro massiv abwerten. Die Schulden Griechenlands würden aber weiterhin in Euro laufen. Damit kämen die neue Währung und deren Abwertung einer gewachsenen Schuldenlast gleich.
Die Wirtschaft wäre von dem in der Zirkulation befindlichen Geld abhängig. Es dürfte aber kaum verliehen werden. Rechnungen würden nicht bezahlt werden und die Wirtschaft völlig einbrechen. Zwar könnte die Abwertung den Druck einer inneren Abwertung (Lohnsenkung etc.) verringern, aber eine weitere Verarmung sicher nicht aufhalten. Schließlich würden sich alle Importe verteuern und damit die Inflation anfeuern. Zudem: Eine Abwertung der eigenen Währung, wie sie etwa viele südeuropäische Länder in den 1970er Jahren vorgenommen hatten, führt nicht unbedingt zu weniger Konkurrenzdruck. Zumal Griechenland vor allem mit Industrien in Konkurrenz steht, die nicht in der EU (bzw. Deutschland) zu finden sind.
Auch wäre Griechenland weiterhin von der Geldpolitik der EZB abhängig wie alle europäischen Länder vor dem Euro von der Politik der Bundesbank, so z.B. beim Zinsniveau, das ansteigen müsste, um die Kapitalflucht zu verhindern. Diese Hochzinspolitik würde die griechische Wirtschaft weiter abwürgen. Die Folgen eines Euro-Austritts sind nicht abzusehen. Studien gehen von direkten Kosten von mehreren hundert Milliarden Euro für die Eurozone aus (Hilfspakete, griechische Anleihen bei der EZB und Notenbanksalden). Die indirekten Folgen und Kosten sind unklar, vor allem weil niemand weiß, was tatsächlich nach einem Verlassen der Euro-Zone passieren könnte. Wie bei Lehman Brothers, das von der US-Regierung auch nur zur Abschreckung fallen gelassen wurde, wird man auch dieses Mal erst hinterher schlauer sein – und es dann natürlich um so besser wissen.