200. Geburtstag von Jenny Marx

Auf dem Umschlag der neuen Jenny-Marx-Biographie ist zu lesen, das Karl Marx' wissenschaftliches Hauptwerk Das Kapital sei. Marx‘ Kapital sei hingegen seine Frau Jenny gewesen – der mitschwingenden Doppelsinn ist wahrscheinlich ungewollt.Klaus Theweleit macht die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in der Kulturproduktion unter anderem daran fest, wer zum Diktat bittet – und wer die Schreibmaschine bedient. Zu Marx Zeiten war die Automatisierung des Schreibens unter Denkern noch nicht weit verbreitet. Friedrich Nietzsche soll der erste Philosoph gewesen sein, der sich eine zugelegt hatte. Und dennoch: 1852 wurde Jenny Marx offiziell Karl Marx‘ Sekretärin. Karl diktierte auch, wenn er unter Zeitdruck war. Viele seiner Schriften brachte sie für ihn in Reinschrift und redigierte sie: Die Heilige Familie, Das Elend der Philosophie, das Kommunistische Manifest, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, Zur Kritik der politischen Ökonomie und viele Zeitungsartikel und kleinere Schriften. Das Kapital hingegen hat Marx selbst in Reinschrift gebracht – das wollte er wohl ungern aus der Hand geben. Zum achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte sagt sie: »die Erinnerungen an die Tage, an denen ich in Karls‘ Stübchen saß, seine kritzlichen Aufsätze kopierte, gehört zu den glücklichsten meines Lebens.« Das Produktionsverhältnis beruhte also durchaus auf gegenseitigem Einvernehmen.
Zu ihrem 200. Geburtstag findet nun in Jenny Marx‘ Geburtsstadt Salzwedel eine Sonderausstellung statt, sie wird im Fernsehen und Radio gewürdigt. Eine neue Biographie und ein Briefband sind erschienen, in dem etwa 100 Briefe erstmals veröffentlicht werden. Vor allem der Briefband ermöglicht einen Blick auf das, was Jenny Marx umtrieb, was sie dachte und tat. Beide Bücher sind sehr wichtige Puzzleteile in der biografischen Forschung. Mehr Sensibilität für die Geschlechterverhältnisse sind aber nötig, um ein vollständiges Bild von Jenny Marx zu bekommen.Angelika Limmroth: Jenny Marx. Die Biographie. 303 Seiten. Karl Dietz Verlag BerlinRolf Hecker/Angelika Limmroth (Hg.): Jenny Marx. Die Briefe. 607 Seiten. Karl Dietz Verlag Berlin